Der Zauber, der zwischen den Worten wohnt. Habt ihr das schon einmal erlebt, dass man Dinge sagt, dass man Sachen denkt, nur weil dieser Satz so schön klingt, weil diese Abfolge von Worten so einen Rhythmus hat, etwas das nichts mehr mit der Wirklichkeit zu tun hat und gerade deshalb wirkt.
FrannyGlass - 31. Mär, 16:31
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Ich bin heute morgen mit einem Wort aufgewacht. Laterne. Was für ein Wort.
Ist es ein Wunder, wenn das Fenster vor dem Blick zurückweicht, wenn die Schritte sich bemühen müssen, schnell genug zu sein, wenn der geworfene Blick von einem derartigen Wort aufgefangen wird?
Wenn der Blick hineinfällt in das Laternenlicht, in dieses ganz besondere Licht, so dass niemand auf die Idee kommt, nach der Uhrzeit zu fragen, dass kein weiterer Blick später oder sehr viel später auf die Idee käme, den Himmel nach einem Mond oder Sternen abzusuchen, so ein auf diese Weise einfallender Laternenlichtblick, in dem auch ein Opossum ohne Bademantel sehr angezogen aussieht.
FrannyGlass - 30. Mär, 09:56
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Ihr wisst doch was Kafka dieser krumme Hund und göttliche Erzähler über Schauspieler gesagt hat. Aber vielleicht wisst ihr es auch nicht. Mann kann sich nie wirklich sicher sein bei euch. Also gut, ich will es euch erzählen, verkürzt und mit meinen eigenen Worten (aber mit Quellenangabe, das hättet ihr gern, damit ihr versuchen könnt, mich zu widerlegen).
„Teaterdirektor, der alles von Grund auf selbst schaffen muss, sogar die Schauspieler muss er erst erzeugen.“ Das hat er in sein Tagebuch geschrieben, so ungefähr am achtzehnten Februar 1922. Aber im Ernst, worüber wollen wir reden, über diesen genialen Prager Hundesohn, oder über mich?
Ich bin Schauspielerin, müsst ihr wissen, genau wie Zooey. Wir versuchen alles in Zweierreihen zu machen, in unserer Familie, zwei kommen ums Leben (Seymour und Walt), zwei unterrichten und schreiben (Seymour und Buddy), zwei kommen dem Geheimnis Gottes auf die Spur (Seymour und Walker), zwei werden Schauspieler, die einzige Rechnung, die ohne Seymour, ganz allein mit Zooey und mir aufgeht. Und Boo-Boo, ja sie macht mir mein schönes binäres System zunichte. Immerhin, einen Versuch war es wert.
Aber zurück zu Kafka. Ich habe es euch versprochen. Also sinngemäß schreibt Kafka (und fragt mich nicht wo, ich weiß es wirklich nicht, ich habe das Zitat von ihm bei Buddy gelesen und der hat es nicht belegt, er nimmt sich die Freiheit einfach so zu zitieren, nur den Namen, er denkt, dass das reicht und ich finde er hat verdammt noch einmal recht), dass er uns (die Schauspieler) zu sehr liebt, um die Kraft zu haben die Wahrheit über uns zu schreiben. Ich vermute, er wäre also nicht in der Lage gewesen, uns nach der Vorstellung die passenden Mäntel zu bringen. Allerdings nur, weil er diesen Ehrgeiz hatte, die Wahrheit über uns herauszufinden, statt unsere Lügen zu lieben. Sagt selbst wessen Schuld ist das, unsere oder die des Prager Herrn?
FrannyGlass - 29. Mär, 12:23
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es hat ja nicht jeder die fähigkeit, die menschen wirklich zu lieben. ich meine sie auf diese art und weise zu lieben, dass er sie einfach nur still beobachtet und ihnen nach ablauf von, sagen wir drei stunden, den richtigen mantel zuordnen kann. seymour konnte das. und an guten tagen konnte er darüber hinaus jeden beliebigen tag so behandeln als wäre er ein geburtstag. ich meine, denkt doch um himmels willen einmal, wenigstens einmal darüber nach, was das bedeutet. oder nein, denkt nicht darüber nach. ich habe darüber nachgedacht (das ist ja der fluch, der auf unserer familie lastet, dass wir nahezu ununterbrochen nachdenken) und sofort verstanden, dass für seymour von anfang an keine chance bestand wirklich alt zu werden. im sinne von reich an jahren. wenn ihr versteht, was ich meine.
FrannyGlass - 28. Mär, 16:07
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wenn ich traurig bin, gehe ich in den zoo. ich bin nicht besonders häufig traurig, oder vielleicht bin ich doch die meiste zeit meines lebens traurig, genauso traurig wie ihr alle da draußen, die ihr nichts besseres zu tun habt, als meine zeilen zu lesen, aber die meiste zeit bin ich auf diese weise unglücklich, dass ich es selbst nicht bemerke. die butter merkt es an der art, wie ich sie auf mein brot schmiere und der boden unter meinen füssen merkt es an der art, wie ich auftrete, aber ich, franny glass, merke es nicht und lächle jeden an und schweige zu den dummen bemerkungen, die mir um die ohren fliegen und wenn ich die tauben verscheuche, vertreibe ich mit der gleichen bewegung die unangenehmen erinnerungen. So sind die meisten tage und an diesen tagen brauche ich keinen zoo. aber es gibt auch die anderen tage, an denen mich nicht einmal die langeweile trösten kann und dann gehe ich in den zoo.
ich erwarte keinen trost von einem zoobesuch, ich erwarte auch nicht, dass die tiere dort meine traurigkeit teilen (obwohl sie das zweifellos tun). ich erwarte überhaupt nichts von meinem zoobesuch und sobald mir das klar wird, bin ich irgendwie glücklich. und darum brauche ich den zoo.
FrannyGlass - 27. Mär, 15:06
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Was wir sagen und was wir meinen ist ja weit davon entfernt, deckungsgleich zu sein. Jetzt hört euch das an, gleich zu Anfang langweile ich euch mit dieser Art von Binsenweisheit. Dabei wollte ich euch erzählen, dass ich über diese Sache mit den Augen nachgedacht habe und über das, was Buddy darüber geschrieben hat, obwohl er doch eigentlich über Seymour schreiben wollte.
Ich meine, die ganze Sagenwelt ist voll davon, von blinden Sehern, von Sehern, die so eine gottverdammte Angst davor haben, geblendet zu werden, geblendet auf diese Weise, wie Buddy es beschreibt, wenn ihr wisst, was ich meine. Und wenn nicht, dann fragt mich einfach. Dazu bin ich doch da, euch diese Fragen zu beantworten, diese bohrenden, quälenden Fragen, damit ihr Platz bekommt für neue Fragen.
„Ich behaupte“, (und diese Worte hat unser Schöpfer, so und nicht anders, wenn auch in einer anderen Sprache, Buddy in den Mund gelegt, oder in die fiktive Feder fließen lassen, um preußisch- bürokratisch genau zu sein) „der wahre Künstler und Seher, dieser himmlische Verrückte, der Schönheit schaffen kann und es auch tut, wird hauptsächlich auf den Tod geblendet durch eigene Skrupel, durch die blendenden ihm vorschwebenden Formen und Farben seines ureigenen, seines heiligen menschlichen Gewissens.“ (nachzulesen ist dieser wunderbare Satz in dem nicht weniger wunderbaren Buch: „hebt den dachbalken hoch, zimmerleute und seymour wird vorgestellt, von J.D. Salinger, so ungefähr auf der achtzigsten Seite)
Und darüber und über diese ganzen Seher habe ich nachgedacht. Weil sie das doch verdammt noch einmal verdient haben, dass man wenigstens einmal darüber nachdenkt, oder vielleicht haben sie es nicht einmal verdient, aber erwarten tun sie es doch. Oder es ist nur diese Erfahrung, die sie immer wieder machen wollen, diese Erfahrung nach der man so schnell süchtig wird, wie alles falsch wird, sobald man es aufschreibt, diese Dehnbarkeit der Wirklichkeit, bevor sie reißt. Und die Unbeweglichkeit der Sätze und dass man sie so in die Welt setzen muss, dass sie in euren Hirnen tanzen und nicht vor euren Augen stehen bleiben. Obwohl ich davon nicht reden sollte, auch nicht schreiben, einmal weil das Buddys Job ist und zum zweiten weil ich euch was von den Sehern erzählen wollte. Die alten Sagen sind ja voll von diesen Kerlen, die mit ihren Orakeln einfach die Vergangenheit als Zukunft ausgeben. Die ganz fest die Augen zusammenkneifen aus lauter Angst, sie könnten trotz ihrer Blindheit vielleicht doch etwas sehen, ein klitzekleines Lichtlein Wahrheit könnte durch ihre blinden Augen dringen, davor haben sie so eine gottverdammt heilige Furcht. Und deshalb sagen sie schnell, dass alles bleibt wie es ist. Natürlich sagen sie es mit anderen Worten, mit solchen, die Angst und Schrecken verbreiten, die die Knochen zittern lassen und die Augen tränen undsoweiter undsofort. Aber wenn ihr euch diese gewaltigen Worte mal genau anguckt, steht da nur, dass alles wird, wie es war.
Jetzt denkt ihr, ich bin so eine, die vor gar nichts Angst hat, aber das stimmt natürlich nicht. Ich habe eine Riesenangst und zwar die: dass die Anzahl der denkbaren absurden Situationen begrenzt ist.
FrannyGlass - 26. Mär, 11:56
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Ich war fünfzehn, aber erst ganz kurz, als Seymour fand, es sei ein guter Tag für Bananenfisch. Die Zeit, die ich mit ihm hatte, war natürlich zu kurz, aber das war sie für alle und möglicherweise ist die Zeit, die man mit Menschen verbringt, die man liebt (oder zu lieben glaubt) immer zu kurz. Wenigstens von dem Zeitpunkt an, ab dem es unmöglich wird, sie weiter mit ihnen zu verbringen.
Es ist schon merkwürdig, wie falsch alles wird, sobald man es aufschreibt. Ist euch das auch schon aufgefallen? Diese Anfälligkeit des Ausgedachten. Ohne die man gar nicht schreiben kann...
Als ich sechsundzwanzig war, war Buddy vierzig Jahre alt und das ist schon seltsam, wenn man gemeinsam einen Schirm aufspannt, und die Erinnerungen niederregnen lässt. Und während sie regneten, betrachteten wir die frei umherlaufenden Ausschweifungen, die Unlust – weit entfernt von der Unfähigkeit – auf den Punkt zu kommen und fortzufahren, allein aus dem Grund fortzufahren, weiterzukommen und an ein wie auch immer geartetes Ziel zu gelangen. Möglicherweise ist diese Veranlagung bei Buddy am ausgeprägtesten, aber vielleicht scheint es auch nur so, weil es bei ihm einen deutlich (schwarz- auf weiß, gedruckt, ihr wisst schon diese Sache mit den Buchstaben) nachweisbaren Niederschlag findet, als Schriftsteller, Briefschreiber und Chronist unserer Familie und – nicht zuletzt – als engster Vertrauter von Seymour. Mit dem er das Zimmer teilte, die Zitate an den Wänden und den unbeugsamen Willen alle nach ihnen geborenen Mitglieder der Familie auf ihre ganz eigene Weise zu unterrichten.
FrannyGlass - 25. Mär, 11:11
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FrannyGlass - 24. Mär, 17:13
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heute bekommt ihr nur ein Bild. Vielleicht später eine Geschichte. Wollt ihr überhaupt noch Geschichten hören?
FrannyGlass - 24. Mär, 17:12
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